Ortschronistentagung 2024 in Grevesmühlen

Am 16.11.2024 fanden sich mehr als 60 Ortschronistinnen und -chronisten in der Malzfabrik Grevesmühlen zur Fachtagung ein. Die von der Stiftung Mecklenburg in Kooperation mit dem Landkreis Nordwestmecklenburg und unserem MFP e.V. organisierte Tagung ist traditionell der letzte Tagungstermin im Jahr und lockt stets eine hohe Zahl an Teilnehmer an, unter denen auch einige unserer Mitglieder waren.

Dr. Florian Ostrop und der Landrat Herr Tino Schomann eröffneten die Veranstaltung. Sie machten in ihren Reden den Wert der Arbeit der Chronisten deutlich. Im Anschluss daran übernahm Dr. Reno Stutz die Leitung der Tagung und übergab zum ersten Vortrag an Herrn Stefan Pohlke aus Dassow. Dieser berichtete über die Geschichte des Armen- und Siechenhauses in Dassow. Für die Recherche konnte Herr Pohlke sonst schwer zugängliche Unterlagen aus dem Pfarrhaus in Dassow nutzen. Das Siechenhaus lag westlich und etwas außerhalb von Dassow. Es wird 1283 erstmalig als Hospital (in einer Urkunde neben dem Heiligen Geist Hospital Lübeck und dem Hospital in Grevesmühlen) erwähnt. Ein Hospital in der damaligen Zeit war nicht nur ein Haus für Kranke (z.B. Lepra, Pest u.ä.), sondern auch ein Gast-, Fremden-, Armen- und Witwenhaus. Es wurde auch „Guteleutehaus“ genannt, denn es wurde von „guten Menschen finanziert“. Das Haus in Dassow war mit einer Kapelle verbunden, die vom Bischof Detlef von Parkentin geweiht wurde. Dazu gibt es eine Urkunde im Archiv. Beide Gebäude sind heute nicht mehr erhalten. Das ehemalige Siechenhaus (nach Sturmfluten mehrfach erneuert) wurde 1952 im damaligen Grenzgebiet abgerissen und die Kapelle 1973 gesprengt. Die Kunstwerke aus der Kapelle wurden vorher in die Kirche in Dassow gebracht. Die Abendmahlsgeräte sind jetzt im Schönberger Volkskundemuseum zu finden. Heute steht an der Stelle der ehemaligen Kapelle eine Stele mit der Geschichte des Armen und Siechenhauses. Ein interessanter Vortrag zum Start der Tagung.

In der anschließenden Kaffeepause konnten wir viele gute Gespräche führen, unsere Publikationen vorstellen und erfolgreich zum Kauf anbieten. Im Anschluss daran stellte Herr Torsten Hauck die Arbeit des Munitionsbergungsdienstes in Mecklenburg vor. Die Munitionsberger sind auf die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort angewiesen. Insbesondere die Chronisten, mit ihrem umfangreichen Wissen zu den Erzählungen vor Ort, sind hier ein wichtiger Fundus bei der Suche nach Munition oder Munitionsresten aus Kriegs- und Friedenszeiten. Zur Gefahrenabwehr werden die Bereiche in und um Orte und Baustellen regelhaft untersucht. Hier können Hinweise sehr hilfreich sein. Nach einer kurzen Diskussion dazu ging es gleich mit dem nächsten Vortrag weiter. Herr Menno Dirks stellte die Entwicklung des Radfahrens in Mecklenburg vor. Er berichtete dabei über die Erkenntnisse, die er bei der Erstellung der gleichnamigen Ausstellung im Phantechnikum Wismar gewonnen hatte. Der Siegeszug des Rades begann schon ein Jahr nach dessen Erfindung. Jasper von Oertzen aus Roggow schenkte am 15.April 1818 dem Herzog Friedrich Franz I. ein Laufrad. Das Rad entwickelte sich zügig zu einem beliebten und unverzichtbaren Fortbewegungs-, Transport- und Sportgerät. Alle neuen Erfindungen konnten auch in Mecklenburg schnell nachgewiesen werden, so Hochräder, Sicherheits-Niederräder mit Kettenübertragung… Es konnten für die Ausstellung viele originale Ausstellungsstücke und Fotografien zusammengetragen werden. Aktuell soll die Ausstellung um die Nutzung des Fahrrades als Sportgerät erweitert werden. Dazu werden weitere Ausstellungsstücke gesucht.

Nach der Mittagspause begann der zweite Teil mit einem Rundgang in zwei Gruppen durch das moderne Kreisarchiv. Die umfangreichen Bestände umfassen ca. 1000 laufende Meter historische Unterlagen und 3000 laufende Meter Unterlagen in der Zwischenablage (also vor der Entscheidung, es zu archivieren oder zu vernichten). Ein sehr beeindruckender Schatz, von gut erschlossenen und nutzbaren Unterlagen.

Zum Abschluss der Vorträge berichtete Dr. Reno Stutz über die Zeitzeugenbefragung als Quelle für die Ortsforschung. Es wurden die Möglichkeiten und die Grenzen zur Nutzung der gewonnenen Informationen aufgezeigt. Ob man diese Informationen erhält und verwenden kann, liegt im Geschick des Befragers. Um dem Gespräch eine Struktur zu geben, sollte man stets mit einem vorüberlegten Fragebogen beginnen, dann aber offen für Wendungen sein. Das Erstellen einer Aufnahme mit dem Handy ist hilfreich, wird dann aber in der Transkription recht aufwendig. Inhaltlich ist die Subjektivität der Aussagen der Zeugen stets zu beachten, denn Augenzeugen sind nie wirklich objektiv. Sie sind persönlich betroffen und werten dadurch häufig in ihren Aussagen. Abschließend ist auch immer eine Genehmigung zur Veröffentlichung der Aussagen durch den Zeugen notwendig. Hier ergaben sich nun intensive Nachfragen, die die Zwiespältigkeit der Zeitzeugenproblematik verdeutlichten.

Der letzte Tagesordnungspunkt „Fachlicher Austausch“ war diesmal stark nachgefragt. Zwei Themen seien hier nur kurz erwähnt: Lars Kirsch ist ein Geschichtsstudent und sucht für seine Doktorarbeit zum Thema „DDR-Kampagne: Industriearbeiter aufs Land“ Zeitzeugen oder Kenner dieser Thematik. Herr H.-Christoph Struck berichtet über die Arbeit des Fördervereins zur Sanierung des Schlosses in Gadebusch. Die beeindruckende Leistung wird anhand von Vorher-Nachher – Bildern deutlich: Fassade, Tragwerk, Remise und energetische Sanierung laufen oder sind fertig gestellt. Auch etliche archäologische Funde wurden bei den Bauarbeiten gemacht; so wurde eine mittelalterliche Warmluftheizung, der Bergfried an einer unerwarteten Stelle und ein gepflasterter Burghof gefunden.

Eine interessante Veranstaltung ging damit zu Ende. Mit einem Dank an alle Teilnehmer und insbesondere auch die Organisatoren und speziell Frau Simone Natzel von der Stiftung Mecklenburg und der Archivleiter Herr Kevin Nehls beendete Dr. Reno Stutz die Tagung. Im nächsten Jahr wird die Tagung wieder im November, dann wohl in Dassow stattfinden. Wir werden wieder mit dabei sein.

(Text und Fotos: A. Adam)

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