Datenbank Scharfrichter, Frohner und Abdecker

Scharfrichter, Henker, Froner, Abdecker, Schinder und Co. sowie deren Knechte in Mecklenburg und darüber hinaus - Geschichte – Strafen – Delinquenten

Im Verlauf der Geschichte verstand man die Strafvollstreckung zunehmend als Angelegenheit der Obrigkeit, die hierfür "Spezialisten" anstellte. Die ersten Angehörigen dieses Berufsstandes gab es bereits vor etwa 5.000 Jahren im ersten hochentwickelten chinesischen Reich. Im deutschen Sprachraum wurden die ersten urkundlichen Vollstrecker von Körperstrafen im 12. Jahrhundert als "Wizener" (althochdeutsch: "der Strafende") genannt. Der erste eigentliche Scharfrichter wurde im Jahre 1276 in Augsburg erwähnt. Das Augsburger Stadtbuch nannte neben der Bezeichnung "Scharfrichter" auch seine Aufgaben und dessen soziale Stellung in der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung.

Unter Kaiser Karl V. wurde im Jahr 1530 die "Constitutio Criminalis Carolina", kurz: "Carolina", auf dem Augsburger Reichstag beschlossen und 1532 auf dem Reichstag in Regensburg ratifiziert. Damit erhielt sie Gesetzeskraft. Diese "peinliche Halsgerichtsordnung" für das Deutsche Reich fasste als Reformwerk sieben Todesstrafen zusammen, die jeweils bei genau bestimmten Vergehen nach genauer Beschreibung angewendet werden sollten. Besonders von protestantischen Landesfürsten wurde diese mildere Carolina ignoriert, um auch "Hexen" wegen bloßen Sachschadens verurteilen zu können(!). Eine erneute Strafrechtsvereinheitlichung gelang in Deutschland erst wieder mit dem Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von 1871, das mit zahlreichen Änderungen noch heute gilt.


Die 7 Todesstrafen in der "CAROLINA"

  1. Verbrennen: Brandstifter, Ketzer, Kirchenräuber, Sodomisten, Hexen, Zauberer
  2. Enthauptungen: Landfriedensbrecher, Aufrührer, Räuber, Abtreiber, Notzüchter und Totschläger
  3. Erhängen durch den "Diebhenker": Einbrecher und rückfällige Diebe
  4. Rädern: Mörder und Giftmischer
  5. Ertränken: Kindsmörderinnen
  6. Lebendig vergraben oder Pfählen: Kindsmörderinnen, wenn das Ertränken mangels Möglichkeit nicht durchführbar ist
  7. Vierteilen: Verräter

Der Scharfrichter trug den aus dem alten Rom bekannten Titel "Carnifex" (lat. Fleischer, Henker, Peiniger) und war neben dem Vollzug der Strafe in Form von Folter: z. B. Daumenschrauben anlegen, mit glühenden Zangen zwicken, sowie Exekutionen: Köpfen, Hängen und Verbrennen, darüber hinaus für die Reinigung der Straßen und Kloaken, das Fangen von streunenden Hunden, die Aufsicht über die Prostituierten und anderes verantwortlich. Straßenreinigung im Mittelalter und in früher Neuzeit war keine leichte Tätigkeit mit Besen und Schaufel, sondern eine Beseitigung von bergeweisen Exkrementen und Abfällen aller Art einschließlich toter Haustiere, derer sich die Anwohner sorglos auf der Straße entledigten. Die Folge dieser massiven Verunreinigungen der Orte waren immer wieder um sich greifende Epidemien. Wie schon bei den Römern übertrug man in den mittelalterlichen Städten dem Scharfrichter die unangenehmsten Arbeiten, die andere Bürger nicht verrichten wollten. Die Bezeichnungen für dieses anrüchige, gefürchtete und auch blutige Handwerk waren in den Zeitläuften vielfältig wie bei kaum einer anderen Berufsgruppe. Neben Carnifex und Liktor sowie dem allseits bekannten Henker gab es u. a. folgende Termini, die je nach Landschaft gebräuchlich waren:

Scharfrichter, Nachrichter, Faustrichter, Halbmeister, Meister Hans, Enthaupter, Diebhenker, Wasenmeister, Weiziger, Stocker, Züchtiger oder auch Frohner / Frohn / [richtig:] Froner / Fron, Schinder, sowie "Scharf- und Nachrichter", auch "Scharfrichter oder Frohn"; in Mecklenburg findet sich nur vereinzelt "Henker". In Frankreich nannte man die Pariser Scharfrichter u.a. "Monsieur de Paris".

In der Regel war die Scharfrichterei lizenziert. Pro Bezirk konnte es nur einen Scharfrichter geben. Erst wenn dieser verstarb, sich zur Ruhe setzte oder des Amtes enthoben wurde, konnte ein Nachfolger das Meisteramt übernehmen. Er heiratete entweder die Witwe bzw. Tochter des Vorgängers oder musste sich das Amt erkaufen. Die Scharfrichterei war ein "Dienstleistungsbetrieb", der die Gesellschaft vom Unangenehmen befreite: im Strafvollzug, in der Straßen- und Kloakenreinigung, in der Abdeckerei. Der Scharfrichter war zwar Angehöriger dieses öffentlichen Betriebes, er bezog aber üblicherweise kein monatliches oder jährliches Festeinkommen, sondern wurde für die jeweils ausgeübte Verrichtung bezahlt. So musste ein Scharfrichter oft auch von den Einkünften anderer Arbeiten leben. In vielen Fällen durfte er die Kleidung oder die am Körper des Delinquenten befindlichen Wertgegenstände (z. B. Schmuck) zumindest in Teilen behalten. Durch die Veräußerung dieser Sachen konnten willkommene Nebeneinkünfte erzielt werden. Im Betrieb einer Wasenmeisterei (Abdeckerei) erbrachte das Häuten (Schinden) von Vieh gutes Geld, weil v.a. die Häute, aber auch die Hörner und Knochen, sowie Pferdehaare weiter verarbeitet wurden. Häute waren der Grundstoff für Leder, welches in den vergangenen Jahrhunderten ein sehr wichtiger Rohstoff war. Städte konnten bei besonders produktiven Scharfrichtern eine Abgabe in Form von Geld oder Leder bzw. Lederwaren, z. B. lederne Feuereimer zur Brandbekämpfung, einfordern. Aus der Historie ist bekannt, dass Scharfrichter infolge ihrer Kenntnisse des menschlichen Körpers bei den unterschiedlichsten Leiden häufig den studierten „Doctores“ vorgezogen wurden. Jene bedienten sich auch der Heilmagie mit Körperteilen Hingerichteter und handelten z. B. mit frischem Blut gerade Enthaupteter als Mittel gegen Epilepsie, abgetrennten Händen zur Linderung von Hautkrankheiten, Menschenfett, sog. "Armesünderfett", sowie Hundefett zur Behandlung schmerzender Gelenke bei Mensch und Tier.
Alleine konnte der Scharfrichter diese Tätigkeiten nicht bewältigen. Er benötigte Mitarbeiter, für deren Entlohnung er aufzukommen hatte. Für bestimmte Tätigkeiten erhielt der Scharfrichter einen festgelegten Lohn – so berechnete Johann EICHENFELDT, Scharfrichter-Meister in Schwerin, für jede seiner Tätigkeiten – von der Tortur bis hin zum Vollzug der Strafe – im Jahr 1765 folgendes Entgelt für sich und seine Knechte:

Foltern – die Tortur 5 Reichstaler
Enthauptung eines Inquisiten 10 Reichstaler
dazu die Knechte 1 Reichstaler
Strangulieren eines Inquisiten 10 Reichstaler
dazu 4 Knechte je 1 Reichstaler 4 Reichstaler
Rädern eines Inquisiten 10 Reichstaler
dazu 6 Knechte je 1 Reichstaler 6 Reichstaler
Scheiterhaufen aufsetzen 5 Reichstaler
dazu 6 Knechte je 24 Schillinge 3 Reichstaler
Zum Feuer Verurteilter 10 Reichstaler
dazu 6 Knechte je 1 Reichstaler 6 Reichstaler
Einen Leichnam verscharren 5 Reichstaler

Eine Hinrichtung konnte bis zu 100 Reichstaler kosten. Diese "Gebühr" hatte der Verurteilte bzw. dessen Familie dem Scharfrichter zu entrichten (!).


Aus den Reihen der Scharfrichter gingen mehrere geschickte, bedeutende Chirurgen hervor – diese Entwicklung ist auch hier in Mecklenburg nachweisbar. So gibt es um 1800 Beispiele dafür, dass ein Scharfrichter zugleich "Chirurgus" oder "Vieh–Doctor" war, zum Neubürger einer Stadt aufgenommen wurde und somit aus dem "unehrlichen" in den geachteten Stand eines Bürgers aufstieg.

Das Internet bietet eine Fülle von Darstellungen über den Scharfrichter. Wertvolle Hinweise und Ergänzungen erhielt ich von Frau Dr. phil. Gisela WILBERTZ; ebenso ließen sich mehrfach Angaben aus der großen Datenmenge über Scharfrichter, Abdecker etc. von Reinhard RIEPL ergänzen.

Die Scharfrichter in Mecklenburg werden in den herangezogenen Quellen nur wenig berücksichtigt – die folgende Dokumentation mag einen Beitrag zur Vervollständigung der Datenlage in diesem Land leisten.


A n m e r k u n g e n
Karl KOPPMANN (1839–1905): Die Frohnmeister Rostocks, (in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock 4 (1907), S. 31–54), erläutert die Berufe wie folgt:
1. F r o h n m e i s t e r – Gerichtsdiener
ursprünglich vronebode = Herrenbote, abgekürzt vrone oder bodel [Büttel = der (den Willen der Obrigkeit) Bietende, Verkündende], später Scharfrichter und Nachrichter genannt
2. A b d e c k e r – Racker oder Viller
- racken ist das Beseitigen von Unrat
- villen ist das Abdecken [Tieren die Haut bzw. das Fell abziehen]
Die Amtswohnung des Frohnmeisters wurde die Frohnerei genannt, die des Abdeckers die Rackerei [Abdeckerei]. Die Vereinigung beider Ämter, Frohner und Abdecker, erfolgte vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen – die Einnahmen des Frohners waren oft zu gering.


Der Abdecker wurde in L ü b e c k einst auch "S c h o b a n d" genannt:
Zu der Zeit des schwarzen Todes ist der Schoband zu Lübeck aufgekommen, welchen man sonst vordem den Racker gehießen. Es wohnte hier nämlich in der greulichen Pestzeit [um 1350] ein reicher Mann mit Namen Bandscho; der ließ bei dem schrecklichen Sterben eine große Menge Wagen mit einer Glocke darunter machen, und diese Wagen ließ er durch alle Gassen langsam fortgehn. Wenn nun die Leute die Glocke hörten, trugen sie ihre Todten heraus und warfen sie auf des Bandscho Wagen; der ließ dann aus christlichem Mitleiden die Körper auf den Kirchhof führen und allda begraben. Als nun das Sterben nachgelassen, hat er die Wagen dem Racker verehrt; da hat der gemeine Mann des wohlthätigen Mannes Namen umgewandt, und den Racker Schoband geheißen, wie er noch heutiges Tages genannt wird.
Bemerkungen: Das Ministerium drang seit 1578 auf Abstellung der Begräbnisse durch den Schoband (die Schinder-Knechte), und scheint zu Ende des Jahrhunderts durchgedrungen zu sein.

Quelle: Ernst DEECKE, Dr. phil., Professor: Lübische Geschichten und Sagen, Seite 119, № 63: Der Schoband. Verlag Carl BOLDEMANN, Lübeck 1852


Die U n s c h u l d s v e r m u t u n g ist über 700 Jahre alt!

Die Unschuldsvermutung (auch Präsumtion der Unschuld) ist eines der Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens und wird heute von den meisten Ländern der Welt zumindest dem Anspruch nach anerkannt. Das Gegenstück ist die Schuldvermutung. Die Unschuldsvermutung geht auf den französischen Kardinal Jean LEMOINE (1250–1313) zurück.

Erst 1631 wurde sie im deutschsprachigen Raum mit der Formulierung: „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) von Friedrich SPEE in der Cautio Criminalis, einer umfangreichen Schrift gegen die Praxis der zu der Zeit überhand nehmenden Hexen-Verfolgungen, aufgegriffen und vertieft.

Im Jahr 1764 wurde sie vom Mailänder Aufklärungs- und Rechtsphilosophen Cesare BECCARIA als Rechtsprinzip ("geltendes Recht") postuliert.

(Text: Dr. med. Geert RUICKOLDT, Parchim 2024)

Die hier präsentierten Daten wurden dem MFP e.V. von Dr. med. Geert RUICKOLDT aus Parchim zur Verfügung gestellt.

In die Tabelle sind – anders als bei RIEPL (s. Quellen) – alle Personen aus der Berufsgruppe der Scharfrichter, Frohner, Abdecker etc. aufgenommen worden:

  1. Erwachsene ohne Namen (NN): Braut, Bräutigam, Paten,
  2. Kinder, die im (frühen) Kindesalter gestorben und häufig namenlos sind (auch die totgeborenen),
  3. Paten, die oftmals aus der Berufsgruppe der Scharfrichter, Frohner, Abdecker etc. stammen.
  • Dadurch können „fehlende“ Geburten/Kinder, Hinweise auf sonst nicht Genannte erkannt und ggf. Lücken rekonstruiert werden.

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